The Ward – Grey’s Anatomy Powered By the Apocalypse

Titel Bild von "The Ward"

Ich hatte vor kurzem das Vergnügen, endlich einmal „The Ward“ zu spielen. Ein kleines von Magpie Games veröffentlichtes Regelwerk, das seit dem aber anscheinend leider vergessen wurde. „The Ward“ ist darauf ausgelegt, Medical Dramas in RPG Form zu spielen. Ob man dabei eher bei Dr. House, Grey’s Anatomy oder bei Scrubs landet, ist ganz der Gruppe überlassen.

In meine Hände habe ich es bekommen, nachdem es zusammen mit einem dutzend anderen Magpie Regelwerken in ein Humble Bundle geschnürt wurde. Inhalt dieses Bundles waren hochkarätige Inhalte, wie zum Beispiel „Avatar Legends“, aber auch kleinere Systeme wie „Pasion de las Pasiones“ (ein Telenovela RPG), „Passing“ (hier spielt man Aliens, die unter Menschen leben) oder eben „The Ward“.

Anders wäre ich auch nie auf dieses System aufmerksam geworden. Selbst wenn man gezielt nach Medical Drama Systemen sucht, ist es schwer auf dieses Regelwerk zu stoßen. Selbst die Magpie Games Webseite verkauft es nicht mehr. Nur bei Pegasus und DriveThruRPG kann man das 46 Seiten lange PDF noch bekommen. Das ist aber auch schon alles, was es zu „The Ward“ zu kaufen (oder generell zu finden) gibt. Seit November 2017 die Ashcan/Beta Version des Regelwerks veröffentlicht wurde, hat man anscheinend nichts Neues mehr dazu produziert. Was ich persönlich sehr schade finde, denn das System hat definitiv potenzial.

Das soll aber kein Grund sein, dem ganzen keine Chance zu geben. Ich würde jedem Empfehlen, zumindest einmal eine Runde „The Ward“ zu spielen, allein schon wegen der besonderen Herausforderung, die es bietet.

Die Erschaffung des Krankenhauses

„The Ward“ lädt dazu ein, möglichst wenig der Geschichte tatsächlich vorzubereiten. Stattdessen soll die Geschichte dynamisch aus den Hintergründen und Ideen der Spielenden entstehen. Der wichtigste NPC dabei ist vermutlich das Krankenhaus selbst. Dafür werden eine Reihe an beispielhaften Fragen bereitgestellt, die die Speileitung und Spielenden zusammen beantworten sollen.

  • Where is your hospital located?
  • How big is the facility?
  • What is it well known for?
  • What does it currently lack that it normally has?
  • What is always in short supply?
  • What is a black mark on its reputation?

Ist es eine riesige „Walk-in-Clinic“ mitten im stressigen New York? Oder ein abgelegenes, kleines Krankenhaus in den Alpen? In unserer Runde entstand eine Privatklinik mit Meerblick für reiche Prominente, die allerdings kurz vor der Pleite steht. Erst recht, nachdem sie schlechte Publicity gemacht hat, nachdem ein weltberühmter Musiker durch einen Fehler des Chefarztes verstarb.

Durch die Erstellung des Krankenhauses entstehen schon diverse Motivationen, Probleme und Chancen, an denen sich die Geschichte orientieren kann.

  • Die Klinik ist fast pleite: Die Charaktere werden an vielen Stellen improvisieren müssen, da Geld für Geräte, Personal und Medikamente knapp ist. Vielleicht können die Charaktere einen der reichen Prominenten zu einer großzügigen Spende bewegen?
  • Die Klinik steht schlecht da in der Presse: Die Charaktere sollten sich bemühen, dass die Klinik nicht nochmal negativ auffällt, und sich den Patient:innen gegenüber entsprechend verhalten. Oder vielleicht plant einer der Charaktere, seinen Ruf zu retten und das sinkende Schiff zu verlassen.
  • Der Chefarzt wurde entlassen: Eine sehr beliebte Stelle im Krankenhaus muss neue besetzt werden. Wird einer der Charaktere diese Chance ergreifen? Entsteht vielleicht sogar eine Rivalität zwischen Spielenden?

Die Spielercharaktere

Die aktuelle Version von „The Ward“ stellt vier PbtA typische Playbooks zur Verfügung.

  • The Intern – ein Arzt, der gerade sein Medizinstudium abgeschlossen hat. Viel Ausbildung, aber wenig Erfahrung.
  • The Nurse – medizinisches Hilfspersonal, das für die Pflege von Kranken und Gebrechlichen ausgebildet ist. Manche betrachten sie als das Rückgrat der modernen Medizin.
  • The Resident – ein erfahrener Arzt, der sich noch in der Ausbildung für eine bestimmte Spezialisierung befindet.
  • The Specialist – eine medizinische Fachkraft, in der Regel ein Arzt, der sich auf fortgeschrittene Verfahren in einem bestimmten Bereich spezialisiert hat.

Jedes Playbook hat noch ein paar Möglichkeiten zur Personalisierung der Fähigkeiten, sodass sich auch zwei Charaktere mit dem gleichen Playbook mechanisch noch unterscheiden können.

Außerdem müssen alle Spielende noch zwei Spezialisierungen aus einer Liste auswählen, und sich eine Sucht ausdenken. Das kann ein Klassiker wie „Medikamente“ sein, aber auch abstrakteres wie zum Beispiel „Im Mittelpunkt stehen“ oder „Menschen helfen“.

Die Nichtspielercharaktere

Um Sicherzustellen, dass die Spielenden auch Interesse und einen Bezug zu den NPCs haben, durften sie sich diese selbst ausdenken. Auch dafür stellt das System ein Framework bereit, ich habe allerdings einfach dazu aufgefordert, folgende NPCs spontan zu erfinden:

  • Ein:e Patient:in, die ihr gerade behandelt
  • Eine Person aus eurem Leben, zu der ihr ein positives Verhältnis habt. Egal ob Privat, Familie, anderes Personal der Klinik …
  • Eine Person aus eurem Leben, zu der ihr ein negatives Verhältnis habt. Egal ob Privat, Familie, anderes Personal der Klinik …

Auf diese Weise hatten wir bei 4 Spielenden schnell 12 NPCs, die schon einen Bezug zu den Charakteren haben. Nicht alle davon wurden im Spiel relevant, aber viele davon sind im Laufe des Abends aufgetaucht. Teils als Verbündete und teils als Antagonisten.

Das Spiel selbst

Die letzten Fragen waren

  • Welche Zeit ist es gerade?
  • Wo seid ihr gerade?

So hat unser Abenteuer beispielsweise bei der Übergabe der Nachtschicht begonnen.

Hier beginnt der schwierige Teil: Das Impovisieren. Natürlich ist Pen and Paper immer Impriovisation, aber der Teil, der am ehesten vorbereitet wird, ist der Plot Hook. Ein vorgefertigtes Problem, dass die Gruppe durch improvisation lösen muss. Die besondere Herausforderung für die Spielleitung in diesem System ist es aber, das Problem zu improvisieren. Was hier wichtig ist, ist Mut. Wenn man eine Stelle erkennt, an der man als Spielleitung gut ein Problem erzeugen kann, sollte man diese Gelegenheit nutzen. Auch wenn, man noch keine Ahnung hat, wie sich dieses Problem lösen lässt. Spielende halten sich sowieso nie an den Plan, den man für sie vorsieht, warum sich also überhaubt die Mühe machen.

Hat man dann ein Problem, kann man sich daran machen, es zu lösen. Hier bietet sich an, ein paar der erstellten NPCs mit ins Boot zu holen. Teils können sie helfen, teils im Weg stehen, und vieleicht schafft der ein oder oder andere von ihnen es sogar, sich zum Hauptantagonisten des Abenteuers hochzuarbeiten.

Mechaniken

„The Ward“ ist wie die meisten Powered by the Apocalypse Regelwerken ein 2d6-System. Man würfelt also zwei sechsseitige Würfel, und addiert seinen Modifier darauf. Dadurch erhält man eines von drei Ergebnissen.

  • Miss – 6 oder weniger: Ein Miss bedeutet, dass der Charakter nicht erreicht, was er erreichen wollte. Das ist meistens zum Nachteil für den Cahrakter, kann aber die Geschichte auf Interessante weise voranbringen.
  • Weak Hit – 7 bis 9: Ein Weak Hit bedeutet, dass der Versuch zwar gelingt, aber nicht ganz so, wie erwartet. Vielleicht gelingt es nur teilweise, oder es entsteht ein unerwünschter Nebeneffekt.
  • Strong Hit – 10 oder mehr: Ein Strong Hit bedeutet, die Aktion gelingt genauso wie erwartet, oder sogar noch besser.

Dazu gibt es auch eine Menge Moves, wie „Display Expertise“, „Feign Confidence“ oder „Show Compassion“.

Insgesamt spielen sich die Mechaniken in „The Ward“ sehr ähnlich zu den meisten anderen Powered by the Apocalypse Regelwerken. Vier Fertigkeiten, eine Reihe an allgemeinen Moves und ein paar Playbook spezifische Moves. Die Moves sind dazu designt, die Story voranzubringen, und das funktioniert meiner Meinung nach sehr gut.

Fazit

Abschließend lässt sich sagen: Ich hatte sehr viel Spaß mit „The Ward“ und werde es in Zukunft definitiv nochmal leiten. Vor allem für Abende, an denen man eher spontan spielt, eignet sich das System sehr, da sich sehr viel der Kreativen Arbeit auch auf die Spielenden verteilt.

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